Analyse – Rechtsextreme Demo in Leipzig: Gescheiterter Versuch einer Wiederbelebung

Unter dem Motto „Ami go Home“ wollte Jürgen Elsässer neuen Schwung in die Proteste bringen – doch die Demonstration in Leipzig am Samstag gerät zum reinen Vernetzungstreffen rechtsextremer Kräfte.

Der Ausflug zum Weihnachtsmarkt ist eigentlich ein Grund zur Freude, vor allem weil es in den vergangenen beiden Jahren nicht möglich war, auf dem Augustusplatz Riesenrad zu fahren oder sich am Glühweinstand zu treffen. Doch am Samstagabend steht in der Friedrich-Ebert-Straße ein Mann in blauer Windjacke.

Und die Ankündigung, jetzt zum Weihnachtsmarkt zu laufen, ist weniger eine freundliche Einladung an die Umstehenden, sondern wütendes Gebrüll. Was wohl daran liegt, dass besagter Mann sich den Tag sehr anders vorgestellt hat. Er wollte mit Gleichgesinnten gegen eine angebliche Besetzung Deutschlands durch Amerika demonstrieren – doch dann stand der Aufzug 30 Minuten in der Kälte vor einer Straßenblockade. Und dann brachen die Anmelder einfach ab.

Unter dem Motto „Ami go Home“ hatte der Chefredakteur des rechtsextremen Magazins „Compact“ Jürgen Elsässer zu Protesten in Leipzig aufgerufen – wohl auch in der Hoffnung, den Protesten gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und steigende Energiepreise wieder Schwung zu geben. Elsässer war Anfang September in Leipzig dabei, als Linkspartei und rechtsextreme „Freie Sachsen“ gleichermaßen zum „heißen Herbst“ aufriefen. In den darauffolgenden Wochen gab es vor allem in der ostdeutschen Provinz immer wieder Demonstrationen mit Tausenden Teilnehmer, zuletzt kamen aber immer weniger Menschen. Während in Leipzig am 3. Oktober noch 1500 auf die Straße gingen, waren es zuletzt nur noch 700. Auch Elsässers Hoffnung, die Bildung einer Querfront von rechts nach links hat sich bisher nicht erfüllt.

Statt der angekündigten 15.000 versammeln sich gerade mal 1200 Menschen

Nun wollte Elsässer mit „Ami go Home“ den unter Ostdeutschen durchaus verbreiteten Anti-Amerikanismus kitzeln. Wochenlang lief die Mobilisierung in den Sozialen Netzwerken für die Demonstration – Elsässer packte die Linken-Politikerin Sarah Wagenknecht auf den Titel seines Compact-Magazins, um auch jene Klientel anzulocken, die auch montags in Leipzig demonstriert. Die Anhänger von „Leipzig steht auf“ glauben, der Krieg sei von den USA provoziert, versuchen aber gewaltbereite Neonazis auf Distanz zu halten. Dort kann man mit der Linken Wagenknecht eher etwas anfangen als mit dem Faschisten Björn Höcke.

Und doch bleibt am Samstag die Zahl der Teilnehmer der Kundgebung auf dem Simsonplatz weit hinter den Erwartungen. Statt der angekündigten 15.000 versammeln sich gerade mal 1200 nahe des US-Konsulats. Es gibt Bratwurst und Reichsbürgerfeeling: „Frieden, Freiheit und Souveränität“ rufen Teilnehmer, die offenbar überzeugt sind, dass Deutschland besetzt sei. Einer der Ordner trägt einen Pulli mit Goebbels-Zitat – und auch sonst wirkt das Ganze eher wie ein Vernetzungstreffen der rechtsextremen Szene, wobei prominente Gesichter fehlen. Der ehemalige NPD-Politiker Stefan Hartung vertritt Martin Kohlmann, Chef der rechtsextremen „Freien Sachsen“. Statt Björn Höcke spricht der Bundestagsabgeordnete Robert Farle (ehemals AfD), mehrere Thüringer Rechtsextreme, sowie André Poggenburg. Auf dessen Anwesen hatte das Vorbereitungstreffen für die Demonstration stattgefunden.

In den Reden geht es viel um die USA als angebliche Kolonialmacht, die Deutschland besetzt hält und ausplündert unter Hilfe der „Vasallen“ Annalena Baerbock und Robert Habeck. Verbunden wird das mit Umsturzfantasien: „Last uns gemeinsam an einem neuen politischen System arbeiten, das keinen fremden Mächten dient“, so Stefan Hartung. „Eine friedliche Revolution wie 1989“, fordert der AfD-Politiker Robert Ferle. Der Jubel der Teilnehmer ist bei solchen Sätzen gewiss – doch während die Temperaturen im Laufe des Abend sinken, steigt zunehmend die Ungeduld. „Dem Volk ist kalt, mach’s kurz Jürgen“, ruft eine Frau durchs Mikrofon, als Elsässer schließlich als Letzter auf die Bühne tritt. Und der macht es kurz, er fordert die Schließung amerikanischer Militärbasen, lobt Wagenknecht und ihren Lebensgefährten Oskar Lafontaine. Und nach fast jedem Satz ruft er noch mal das Motto des Abends „Ami go Home“. Zum Schluss lässt er noch ein paar Luftballons steigen.

„Wir bleiben hier“, geloben Teilnehmer an der Spitze des Zuges

Und dann soll es eigentlich los gehen mit dem Aufzug über die Karl-Tauchnitz-Straße Richtung Westplatz. Doch die Polizei muss erstmal eine Blockade von Gegendemonstranten räumen, Beamte beraten mit André Poggenburg, der nun Versammlungsleiter ist und an dem Abend die Wut der Leute mehrfach zu spüren bekommen wird. Einer der Ordner, erklärt, er könne die „Leute nicht mehr ruhig halten“. Die Polizei lässt sie ein Stück vorrücken um Druck rauszunehmen. Einige der Teilnehmer brüllen Beamte an, sie sollen sich „verpissen“. Schließlich kann der Aufzug doch Richtung Johanna-Park starten. Immer wieder tauchen hinter den Polizeisperren Gegendemonstranten auf, die den Mittelfinger zeigen oder sogar Böller in Richtung Polizei werfen. Dann muss der Zug erneut stoppen weil sich Hunderte schwarz Vermummte auf der Friedrich-Ebert-Straße auf den Asphalt gesetzt haben.

Wieder verhandelt Poggenburg mit Ordnungsamt und Polizei. Letztere sieht keine Möglichkeit die Blockade zu räumen – schließlich läuft Poggenburg zum Lautsprecherwagen und erklärt die Versammlung für aufgelöst. Die restlichen Worte gehen in Buhrufen unter. „Wir bleiben hier“, geloben Teilnehmer an der Spitze des Zuges während hinten die ersten Flaggen und Banner eingerollt werden. „Das ist doch von oben gesteuert“, sagt ein älterer Herr. So endet der Tag, der eigentlich ein „Fanal“ sein sollte mit viel Frust – und eben einem Besuch auf dem Weihnachtsmarkt.